Es war ein Mittwoch, da flatterte mir eine unerwartete E-Mail in mein Postfach. Es war eine Einladung zu einem exklusiven Tasting mit Weinen und Portweinen von Rozès, auf Initiative von Vranken-Pommery. Neugierig habe ich zugesagt, letzten Dienstag stieg die Veranstaltung in Berlin. Der Abend stand im Zeichen des Portweins.
Wir waren ungefähr 35 geladene Gäste, die gegen halb sieben den Ausflugsdampfer „Chanterelle“ in West-Berlin zu einer Stadtbesichtigung und natürlich einem Portwein-Tasting bestiegen. Zu verkosten gab es sechs verschiedene Portweine und zwei Weine aus dem portugiesischem Duoro-Tal. Ich muss jedoch gleich an dieser Stelle gestehen, zu später Stunde, nach einem Aperitif und sechs Portweinen habe ich mir zu den beiden Weinen keine weiteren Verkostungsnotizen mehr gemacht. Nur zu den Portweinen, aber die hatten es auch in sich. Für die Kulinarik wurde ebenso gesorgt. Uns mangelte es wahrlich an nichts.
Wie um die Vielseitigkeit des Portweins unter Beweis zu stellen, gab es zur Begrüßung einen Port Tonic. Das ist weißer Port auf Eis, garniert mit einer Limettenschale und aufgegossen mit dem Tonic Water von Thomas Henry. Fruchtig, spritzig, süß mit einer dezenten Bitterkeit, der perfekte Drink für den Sommer. Es grüßt der kategorische Aperitif, mir gefällt er besser als so gut wie jeder Gin Tonic. Das sollte man sich wirklich für die nächste Sommerparty merken.
Antonio Saraiva, Kellermeister von Rozès
Durch den Abend führte uns niemand geringeres als der gebürtige Portugiese Antonio Saraiva, Kellermeister und Manager von Rozès. Antonio ist ein schlaksiger, sehr sympathischer Mensch mit festem Händedruck. Mit viel Leidenschaft und Know-How sprach er über „seinen“ Portwein und konnte uns zu jeder Flasche und zum Portwein allgemein etwas erzählen.
„People keep saying I’m working, but it’s my passion.“ – Antonio Saraiva
Kurz etwas zum Portwein selber
Nur in Portugal wird echter Portwein hergestellt. Die Besonderheit ist dabei, dass der Fermentationsprozess der Weintrauben, bei der der Zucker zu Alkohol vergoren wird, frühzeitig und bewusst abgebrochen wird. Dadurch bleibt ein gewisser Restzucker im Most vorhanden, der noch nicht in Alkohol umgewandelt wurde. Dieses Verfahren nennt man „aufspritten“, weil dem Most dabei hochprozentiger Alkohol beigemischt wird. Dieser ist dann auch für das Absterben der Hefen verantwortlich. Rozès nutzt dafür einen 77% Weinbrand, der möglist neutral schmecken soll. Der Brandy soll dem Portwein auch keine weiteren Aromen liefern, sondern nur die Fermentation abbrechen. Bei Portwein gibt es verschiedene Kategorien, wobei es heute je drei Weine aus dem Bereich der Ruby und der Tawny zu probieren gab.
Ruby Ports
Die ersten drei der kredenzten Portweine sind solche Ruby Ports. Diese Art von Portwein haben meist eine knallrote Farbe und reifen fast ausschließlich in Stahltanks. So ist der Wein vor dem Austausch mit der Luft und der Oxidation geschützt. Da der Wein bei der Lagerung nicht oxidiert, wird der Geschmack hauptsächlich von den verwendeten Weintrauben geprägt. Diese sind also essentiell für einen guten Port. Nur durch eine gewissenhafte Arbeit der Winzer ist der Ruby Port nach all den Jahren immer noch frisch und fruchtig. Oder wie Antonio scherzte: „Es ist unser Werk, nicht das von Gott.“
Verkostung: Rozès Porto Ruby Reserve
Der erste Wein war der Rozès Porto Ruby Reserve. Wie alle heutigen Portweine ist er in Verschnitt, ein sogenannter Blend aus verschiedenen Rebsorten. Dieser Wein lagerte im Durchschnitt für 5 Jahre in einem luftdicht verschlossenem Tank. Für einen Ruby Port präsentiert sich der Wein in einem klassischem dunklen Rubinrot. Man, was für eine Farbe!
In der Nase ist er natürlich süß. Wie alle heute verkosteten Portweine hat ja auch dieser noch einen Restzuckergehalt von ungefähr 80-90 Gramm pro Liter. Ich rieche frische Früchte, rote Beeren, Pflaumen und schon in der Nase eine angenehme Säure. Dabei wenige Tannine, eine schöne Fruchtigkeit und einen leicht oxidativen Einschlag. So wie ein guter Rotwein, der rechtzeitig dekantiert wurde.
Im Mund ist er noch süßer, der Zucker schlägt durch. Der kräftige Antritt wird auch hier von Pflaumen, Beeren und Kirschen begleitet. Ich merke keine wesentlichen Tannine, dafür schmecke ich rote Johannisbeeren. Die Säure der Johannisbeeren bildet einen guten Kontrast zur Süße und balanciert diese aus. Zum Schluss kleidet eine angenehme Trockenheit den Mund aus.
Der Abgang ist genau so lang wie zuckrig. Ja, man muss auf süßen Wein stehen.
Fazit
Ein sehr schöner Einstieg und ein guter Portwein für wenig Geld. Fans vom Ruby-Stil machen hier definitiv nichts falsch.
Verkostung: Rozès Late Bottled Vintage 2011
Als nächstes wurde uns etwas außergewöhnliches eingeschenkt. Ebenfalls ein Ruby und zwar eine „Late Bottled Vintage“ (später dazu mehr) von 2011, aber ungefiltert! Durch die fehlende Filtrierung sind auch im Glas einzelne Sedimente sichtbar. So liegt er dick, schwer und sehr, sehr dunkel im Glas.
In der Nase ist schon erkennbar, dass er im selben Stil gekeltert wurde wie der zu erst verkostete Portwein. Er ist dem Ruby Reserve schon sehr ähnlich, nur wesentlich feiner, etwas zurückhaltender, sanfter und angenehmer. Im Vergleich würde ich sagen, nicht mehr so rau, sondern eher ein Gentleman. Er kommt mir vor wie ein dunkler, schwerer und süßer Rotwein. In einem Wort: Edel.
„Everything is a matter of balance.“ – Antonio Saraiva
Im Mund, ooh, er ist so unglaublich weich. Samtig und vollmundig, trotzdem gesetzt und im Geschmack fast schon dezent. Die für einen Ruby typische Fruchtigkeit mit frischen und dunklen Früchten, Pflaumen und Beeren ist vorhanden, dazu auch eine angenehme Süße. Diese ist wesentlich feiner und konzentrierter, schmeichelhaft. Dagegen wirkte der Ruby Reserve fast schon ruppig.
Im Nachgeschmack sehr vollmundig, süß und auch hier unglaublich weich. Das wichtigste an ihm ist sein Mundgefühl. Ach, er ist so herrlich weich.
Fazit
Eindeutig der heutige Sieger im Preis-Leistungs-Verhältnis und mein Top-Favorit auf den Gesamtsieger des heutigen Abends. Er musste sich nur auf den letzten Metern doch noch seinem fast zehnmal so alten Bruders geschlagen geben.
Verkostung: Rozès Vintage 2011
Zum direkten Vergleich gab es den Vintage 2011. Im Unterschied zu einem Vintage lagerte ein Late Bottled Vintage vor der Abfüllung in die Flasche einige Jahre in Eichenfässern, und war so der Oxidation ausgesetzt. Dadurch ist der LBV früher trinkreif als ein Vintage, muss nicht mehr so lange gelagert werden und kann auch ein bisschen länger offen stehen, ohne dass er gleich verdirbt.
In der Nase ist der Vintage wieder viel kräftiger als sein Late Bottled-Bruder und im Stil wieder sehr ähnlich dem Ruby Reserve. Er ähnelt ihm sogar mehr als dem Late Bottled Vintage, obwohl beide ein Vintage aus demselben Jahr sind. Ich vernehme etwas Tannine, eine angenehme Säure in der Nase, frische Kirschen und helle Früchte. Er wirkt dabei nicht so gesetzt wie der LBV, sondern wieder etwas mehr ruppig.
Im Mund dann wieder ein starker Antritt, fruchtig mit hellen, roten Früchten, ein typischer Ruby. Eine angenehme Säure balanciert die Süße aus. Der Mund wird zum Ende hin leicht trocken.
Fazit
Er ist dem Ruby Reserve ähnlicher als dem Late Bottled Vintage aus demselben Jahr. Ich habe Antonio auf diesen Wein angesprochen, unter anderem warum die beiden so unterschiedlich schmecken. Eigentlich sagt man ja einem Vintage eine höhere Qualität zu, hier gefällt mir aber der Late Bottled Vintage mehr. Antonio meinte, dass der Vintage schlichtweg zu jung sei. Vielleicht sollte ich mir eine Flasche auf Halde legen und in 10 Jahren öffnen. :)
Wir wechseln von Ruby zu Tawny
Die Sonne verschwindet langsam hinter dem Horizont, und wir haben noch drei Portweine vor uns. Nun haben wir unseren letzten Ruby getrunken und wechseln zur Rubrik der Tawny Ports. Ein Tawny ist ein Portwein, welcher in einem Eichenfass reifen durfte und dort folglich dem Sauerstoff und der natürlichen Oxidation ausgesetzt wurde. Das verändert natürlich markant den Charakter des Weins. Frische, helle Früchte verwandeln sich nach jahrelanger Reifung unter Einfluss von Sauerstoff zu nun getrockneten Früchte, sowie Nüssen, Mandeln und so weiter.
Rozès benutzt explizit alte Eichenfässer, die möglichst weingrün gemacht worden sind. Das Ziel ist es möglichst keinen expliziten Eichengeschmack im Portwein zu haben. Der Eigengeschmack des Tawny soll nur von der Oxidation (und von den Engeln) beeinflusst werden, von nichts anderem.
„It’s God works, not ours“ – Antonio Saraiva
Verkostung: Rozès White Tawny
Der erste Portwein aus dieser Kategorie ist der Rozès White Tawny. In der Farbe deutlich aufgehellt, hat er eine durchschnittliche Lagerung von sieben Jahren hinter sich.
Der Geruch ist tatsächlich komplett anders als jeder Ruby. Die trockenen Früchte sind präsent, die Nüsse ebenfalls. Auch wenn ich jetzt vielleicht heiligen Boden verlasse, so erinnert mich der Stil von den Grundzügen her stark an einen Fino Sherry. Das vielleicht zur Einordnung, aber es ist ja ein Portwein. Daher ist er auch süß, mit Anklängen von Schokolade und nicht trocken, wie ein Fino.
Im Geschmack ist er gut ausbalanciert zwischen Süße und Säure. Die getrockneten Früchte und Nüsse findet man ebenfalls wieder. Ich muss ehrlich sagen, ich bin eher der Ruby-Type und finde einen Tawny nicht so zugänglich. Oder besser gesagt, etwas ungewohnter. Nichtsdestotrotz ist der Rozès White Tawny ein rassischer Portwein dieser Kategorie.
Hinten raus wird der Tawny langsam trocken. Die getrockneten Früchte dominieren auch hier das Geschmacksbild.
Fazit
Er macht sich super mit Tonic! Ganz ohne Scherz, der Port Tonic war einer meiner Highlights des Abends. Für die nächste Sommerparty ist dieser White Tawny gesetzt.
Verkostung: Rozès 20 Years Old Tawny
Jetzt wird es langsam wirklich duster, der Abend ist schon weit vorangeschritten und nun werden die wahren Schlachtschiffe kredenzt. Ein Tawny Port, der mindestens 20 Jahre lang im Eichenfass reifen durfte. 20 Jahre, das ist auch für ein Scotch ein beträchtliches Alter. Was haben die Jahre dem Portwein angetan? Merkt man die Unterschiede zu den jüngeren Weinen?
Im Glas ist er erstmal dunkler als der White Tawny. Im Geruch sind auch hier wieder die getrockneten Früchte dominant, so weit, so bekannt. Dazu finden wir aber nun Gewürze, Nüsse, und über allem eine Süße. Hier ist einiges an Komplexität vorhanden, um den Wein vollends zu entschlüsseln bräuchte man allerdings mehr Zeit und möglicherweise den einen oder anderen Portwein weniger im Blut. ;)
Im Mund angekommen ist der 20 jährige Tawny weich, angenehm und gut ausbalanciert. Die Eindrücke aus der Nase ziehen sich im Mund genau so fort, man findet getrocknete Früchte, Rosinen, Gewürze, dazu ist er etwas nussig. Trotz 20 Jahre Reifung in einem Eichenholzfass findet man keinen Holzgeschmack, die Strategie von Rozès ging auf.
Der Abgang ist nicht nur lang, sondern sehr lang. Der Nachgeschmack hält nicht ganz 20 Jahre, aber man ist gefühlt schon ziemlich nahe dran.
Verkostung: Rozès Over 40 Years Old Tawny
Das Highlight des Tages wurde ganz am Ende serviert. Eine Kuriosität bei Portweinen, die ich auch erst an diesem Abend erfuhr: Es gibt keine Altersangabe mit mehr als 40 Jahren. Das heißt nicht, dass es keine älteren Portweine gibt, aber das Alter steht dann nicht mehr auf dem Label. Und so ist der folgende Portwein nicht „nur“ 40 Jahre alt, sondern hat einen Altersdurchschnitt von sagenhaften 60 Jahren! Der älteste Wein aus diesem Blend stammt von 1937, das ist über 80 Jahre her! Wow, so was hat man nicht alle Tage im Glas oder gar im Mund.
Andächtig schnuppern wir also an diesem Tropfen. In den Grundzügen ähnlich wie der 20 Jährige, nur, oh, wie soll ich das beschreiben. Wesentlich feiner, eleganter, angenehmer und sanfter. Er ist wirklich sehr mild in der Nase. In Gegensatz zu den anderen Portweinen hat dieser einen etwas erhöhten Restzuckergehalt von etwa 100 Gramm pro Liter. Die merkt man auch, wirken aber in keinster Weise plump. Die Nase ist beschäftigt mit getrockneten Früchten, verschiedenen Gewürzen, Nüssen, weißer Schokolade… Alles was man sich wünscht.
Ebenso fein ist der Geschmack. Süßer als die anderen Weine, ja, aber sehr weich und komplex. Hier gibt es auch viele Gewürze zu schmecken, Früchte, Nüsse und alles was man aus der Nase kennt. Ehrlich gesagt tue mich damit schwer, die Unterschiede zum 20 Jährigen in Worte zu fassen. Der Geschmack wirkt pointierter, reifer, vollendeter. Lass es mich so sagen, wenn der 20 Jährige gut war, dann ist dieser hier die Krönung. Danach möchte man eigentlich nichts anderes mehr trinken, zumindest nicht am selben Abend.
Dank dem Nachgeschmack bleibt einem der Portwein über Stunden erhalten. Selbst wenn man mit Wasser nachspült, oder Brot kaut, alles egal. Der Geschmack haftet sich an den Gaumen und bleibt dort auch kleben.
Angel’s Share
Der Angels‘ Share liegt in Portugal bei ca 5% pro Jahr. Das heißt, dass bei der Weinlagerung jedes Jahr rund 5% des Alkohols verdunstet und einfach verschwindet. Das ist der Anteil der Engel. Man kann sich ausrechnen, wie viel da nach 60 Jahren noch übrig bleibt. Portwein muss jedoch per Definition mindestens 19% Alkohol haben. Als Besonderheit wird daher dieser Wein vor der Abfüllung ähnlich wie bei der Herstellung mit neutralem Brandy verschnitten.
Danke!
Im Rückblick auf diesen wundervollen Abend bleibt mir nur noch eins zu sagen. Vielen Dank an Vranken-Pommery, die das ermöglicht haben. Vielen Dank an Kathrin und Thomas Wirz für die Einladung. Es war ein wunderschöner, interessanter Abend voller faszinierender Impressionen.
…. und wir danken unserem Fuselkönig!
Es sollte nicht unser letztes Treffen gewesen sein und wir werden kräftig teilen 👍🥂