Die Gastronomie musste schließen, Kneipen und Bars haben zu und so mancher Restaurantbesuch wurde ins eigene Wohnzimmer verlegt. Vielleicht kann man die so gewonnene Zeit nutzen, sich mehr mit einem Thema auseinanderzusetzen. Konkret habe ich das in diesem Fall mit des Deutschen liebstem Getränk, dem Bier gemacht. Wenn man sein Bier schon nicht in gewohnter Atmosphäre trinken konnte, wie wäre es denn, sich diesen Malztrunk selber zu brauen? Um den Einstieg zu erleichtern, und damit es auch wirklich klappt, soll „Der Ultimative Brau-Guide“ weiterhelfen.
Das Buch wurde uns vom Heyne Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Weitere Bedingungen wurden nicht gestellt.
Der Ultimative Brau-Guide
Auf 150 Seiten nimmt uns die Autorin Sünje Nicolaysen an die Hand und möchte mit uns das Wunder ergründen, wie aus Hopfen, Malz und Hefe später das Nationalgetränk der Deutschen wird. Dabei beginnt sie behutsam mit einer kurzen Einführung in die Geschichte des Selberbrauens, zum Beispiel wann und wieso das Home Brewing in Deutschland überhaupt legalisiert wurde. Wird denn nicht eigentlich jeder Alkohol verzollt? Was muss man beachten als Home Brewer? Wer jetzt Angst vor einer Einführung in das deutsche Braugesetz hat, nein, keine Sorge! Nach 2-3 Seiten Rückschau ist man sofort im Thema.
Und das Thema beginnt mit einer Auflistung aller notwendigen Requisiten und einer kurzen Skizze des eigentlichen Brauprozesses. Diesen Einstieg finde ich sehr gelungen, denn auf vier Seiten ist der eigentliche Rahmen des Buches gesteckt, der Rest ist nur noch Ausführung und kleine Exkurse. Wer noch so gar keine Ahnung vom Bier brauen hatte, und sich vielleicht vor komplizierten Vorgängen gefürchtet hat, kann sofort sehen, wo die Reise hingehen soll.
Woraus wird Bier gemacht?
Auch die Rohstoffkunde soll nicht fehlen! Sehr viel Aufmerksamkeit wurde dem Hopfen gewidmet, inklusive einer kurzen Erklärung über die Botanik und wichtige Anbaugärten in der Welt. Dann kommt man zu einem der Höhepunkte dieses Buches. Mit sehr viel Liebe und Sorgfalt wurde eine übersichtliche Tabelle über die meisten Hopfenarten erstellt, die die einzelnen zu erwartenden Aromen aufschlüsselt und für welche Bierstile man sie dann verwendet. Diese Tabelle finde ich großartig, denn so gewinnt man schnell einen Überblick über die verschiedenen Aromenprofile und dient so als Inspiration, wie man seine Lieblingsstile nachbrauen könnte.
Mit der gleichen Aufmerksamkeit wurde auch das Malz bedacht. Auch hier findet man wieder in einer Tabelle Aufschluss über die verschiedenen Malzsorten (zum Beispiel Rauchmalz, Sauermalz oder Pilsener Malz) mit einer kurzen Beschreibung und hilfreichen Mengenangaben.
Interessante Anekdoten lieferte der Beitrag über das Wasser. Dabei wird erklärt, warum in der Stadt Pilsen das Pils erfunden wurde, und warum die Bayern eher dunkle, bittere und körperreiche Biere trinken.
Als letzter wichtiger, und wahrscheinlich der am meisten unterschätzte Punkt ist die Hefe. Wer von den ersten beiden Tabellen beeindruckt war, wird hier fast erschlagen. Nach dieser Lektüre fühlt man sich fast bereit, mit seinem ersten Bier loszulegen.
Wie braut man Bier?
Das dachte sich wohl auch die Autorin, und erklärt nun auf 8 Seiten, wie man denn konkret zu verfahren hat. Dabei ist alles sehr einfach und selbsterklärend beschrieben. Auch wenn ich selber noch nicht die Zeit gefunden habe, die Rezepte nachzukochen, sind mir nach der Lektüre keine Fragen offen geblieben. Die einzelnen Handgriffe zu lernen, das kann wohl kein Buch ersetzen.
Aber auch wenn ich jetzt weiß, wie ich vorzugehen habe: Ohne Rezepte kein Bier. Daher werden auf 40 Seiten Braurezepte aller Art mitgeliefert. Man wünscht sich ein Pils? Kein Problem. Darf es vielleicht etwas moderneres sein, etwa ein Pale Ale? Auch hier gibt es ein Rezept dazu. Oder wir drehen gleich durch, wie wäre es denn mit einem Fichten Ale mit Fichtenspitzen aus dem Wald, einem Weihnachtsbier mit Orangen, Vanille und Zimt oder sogar ein Apfelcider, denn auch dessen Rezept ist enthalten. Der Anfänger sollte genug Anregungen finden, um sein erstes Bier zu brauen.
Nach sehr viel Input, und recht kurz beschriebenen Rezepten, ist es leicht, den Überblick über die verschiedenen, möglichen Sorten zu verlieren. Abhilfe schafft ein Blick auf Seite 106, wo über zwei Seiten in einem übersichtlichen Baumdiagramm alle Bierstile verzeichnet sind. Für mich ein kleines Juwel, ähnlich der im Internet zu findenen Karte der Hopfenhelden.
Und noch viel mehr…
Aber das ist immer noch nicht genug! Überraschend, aber sehr schön fand ich die Interviews mit 6 verschiedenen Brauern, ihre Geschichten und kleine Tipps und Tricks für angehende Hobbybrauer. Weiter ging es mit dem Thema „Kalthopfung“, kreativen Zutaten und Erkennen von Fehlaromen. Ein wichtiger Hinweis, den ich für etwas zu sehr versteckt halte, ist die notwendige Anmeldung bei seinem Hauptzollamt. Wie man dafür vorgeht und was von einem verlangt wird, das findet man auf Seite 133.
Fazit
Lohnt sich der Kauf? Wenn man noch selber keine Berührung mit dem eigenen Bier brauen hat, dann ja, auf jeden Fall! Mir gefällt der Aufbau, der einem behutsam an die Hand nimmt, und einem Schritt für Schritt das Handwerk beibringt. Ein großer Pluspunkt sind für mich die zahlreichen Infografiken, und die übersichtliche Aufbereitung, die auch ein schnelles Nachschlagen erleichtern. Sehr in die Tiefe geht das Buch jedoch fast nie. Wer also schon versiert ist und regelmäßig sein selbst gebrautes Bier trinkt, wird in diesem Buch wenig Neues erfahren.