Eine Sektkelterei kann Spirituosen? Ja, ich war auch überrascht. Ich war auf dem Heimweg, hatte zwei anstrengende Langstreckenflüge hinter mir und schaute auf der Suche nach einem Frühstück kurz im Rewe am Bahnhof des Flughafen Frankfurts vorbei. Dort sah ich im Regal die Brände und Liköre der Sektkelterei Graeger stehen. Durch den Zoll war ich schon und eine Flasche mehr im Gepäck hätte auch noch Platz. Also packen wir was regionales ein, das ist ja im Trend. Zum Beispiel der Graeger Wildkirschlikör mit Irischem Whiskey. Das irischer Whiskey aus der Region kommt, war mir zwar neu aber man lernt ja nie aus. :)
Für 18€ wechselt der halbe Liter den Besitzer. Dafür bekommt man dann auch immerhin einen Likör mit stolzen 30% Alkohol. Zu Hause angekommen wurde er sogleich entkorkt und eingeschenkt.
Verkostung des Graeger Wildkirschlikör
Schon in der Flasche erkennt man ein dunkles Rot, welches im Glas Rubin farbend erstrahlt. Allein von der Farbe her könnte man ihn für einen Ruby Port halten. Beim Schwenken bildet er feine Schlieren am Glasrand, die auch so gar nicht ins Glas zurück laufen möchten.
Geruch
Kurz dran schnuppern, man erkennt spätestens jetzt, dass man doch kein Portwein im Glas hält. Mit voller Wucht schlägt einem zuerst der Geruch von Kirschsaft entgegen, gespickt mit Vanille und Marzipantönen. Dahinter, jetzt etwas ruhiger, leider muffiger und staubiger Alkohol. Soll das etwa der versprochene Whiskey sein? Nein, das wäre zu enttäuschend.
Mit kurzer Stehzeit tauchen nun Eindrücke von dunkler Schokolade und Mon Chérie auf. Dann lässt sich der Whiskey blicken mit Spuren von süßlichem Getreide, sowie einem Hauch Eiche. Dabei muss er sich wirklich freikämpfen, denn er wird vom Kirschsaft regelrecht erschlagen. Das, was ich herausrieche, lässt mich an einen leichten Blend wie den Kilbeggan denken.
Nicht großartig, aber auch nicht störend, sondern unterstützend. Kann man machen, sollte man sogar so machen, denn ohne den Whiskey wäre der Likör wahrscheinlich etwas zu platt.
Geschmack
Im Mund ist er dann wie erwartet viskos und sehr süß. Auch hier ist die enge Verwandtschaft zu reinem Kirschsaft klar erkennbar. Für mich persönlich ist der Likör noch nicht zu süß, aber schon verdammt nahe dran. Wer mit süßen Getränken eh nicht so viel anfangen kann, der sollte hierum seinen Bogen machen.
Wie schon im Geruch schmecke ich hauptsächlich Kirschsaft, Vanille, Marzipan und Schokolade. Dabei ist der Graeger Wildkirsch fast wie flüssiges Mon Chérie. Die 30% Alkohol merkt man durch eine vorhandene Schärfe, verbergen kann er sie nicht. Das ist sein großes Manko, denn man merkt hier deutlich, dass man muffigen Schnaps trinkt.
Der Whiskey spielt auch hier nicht die erste Geige, sondern legt ein Fundament und ist ansonsten recht zurückhaltend, stört aber auch nicht. Wer genau hinschmeckt erkennt trotzdem leichte Getreidenoten. Sehr alt, wenig überraschend, scheint der verwendete Whiskey jedenfalls nicht zu sein.
Abgang
Im Abgang dreht der Alkohol noch einmal auf und verschwindet mit einer gewissen Schärfe. Wenn man das überstanden hat, bleibt einem lange der Geschmack von Kirschsaft und schwarzer Schokolade erhalten.
Fazit
Flüssig, süß, Kirschsaft. Der Geschmack erinnert fast an Kirschsirup, quasi das perfekte Geschenk für Mon Chérie-Liebhaber. Von dem auf dem Label angepriesenem irischem Whiskey sollte man sich nicht in die Ir(r)e führen lassen. Es erwartet einem ein durchweg süßer, fruchtiger und gefährlich süffiger Likör mit nicht wenig Alkohol. Ein Hauch Komplexität lässt ihn interessant werden, aber bei weitem nicht überfordernd. Praktisch gesprochen, der Graeger Wildkirschlikör wird seine Zielgruppe finden. Man muss nur wissen, worauf man sich einlässt.